Ultraschall Med 2002; 23(1): 33-40
DOI: 10.1055/s-2002-20073
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Die Verdachtsdiagnose einer fetalen Entwicklungsstörung in der Ultraschall-Untersuchung: Auswirkungen auf das psychische Befinden schwangerer Frauen

Suspected Fetal Malformation in Ultrasound Examination: Effects on the Psychological Well-Being of Pregnant WomenL.  Götzmann 1 , S. M.  Schönholzer 1 , N.  Kölble 2 , R.  Klaghofer 1 , E.  Scheuer 1 , R.  Zimmermann 2 , R.  Huch 2 , C.  Buddeberg 1
  • 1Abteilung für Psychosoziale Medizin, Universitätsspital Zürich, Schweiz
  • 2Klinik und Poliklinik für Geburtshilfe, Universitätsspital Zürich, Schweiz
Die Studie wurde vom Schweizerischen Wissenschaftsrat (BBW - SWR - 327.98-09) und dem Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV-Nr. Ko 09-VW 56) finanziell unterstützt.
Further Information

Publication History

28. 2. 2001

12. 9. 2001

Publication Date:
13 August 2002 (online)

Preview

Zusammenfassung

Studienziel: Die Ultraschall-Technologie ermöglicht es heute, fetale Entwicklungsstörungen während der Schwangerschaft festzustellen. Mit der Studie wurde untersucht, wie schwangere Frauen auf die Verdachtsdiagnose einer fetalen Entwicklungsstörung psychisch reagieren und wie sich ihre Befindlichkeit im weiteren Verlauf verändert. Methode: 86 schwangere Frauen, bei deren Kindern die Verdachtsdiagnose einer fetalen Entwicklungsstörung bestand, wurden zu drei Messzeitpunkten schriftlich befragt: Vor der Ultraschall-Untersuchung am spezialisierten Zentrum, ein bis zwei Wochen nach der Untersuchung und vier Wochen nach der Geburt oder einer vorzeitigen Beendigung der Schwangerschaft. Es wurden situative und dispositionelle Angst (STAI), Depressivität (HADS-D) und Gefühle gegenüber dem Kind erfasst. Ergebnisse: Die Verdachtsdiagnose einer fetalen Entwicklungsstörung führt zu einer psychischen Belastung mit signifikant erhöhten Angst- und Depressivitätswerten im Vergleich mit Frauen repräsentativer Normierungsstichproben. Unabhängig von der Bestätigung der Verdachtsdiagnose nimmt diese Belastung nach der Untersuchung am Ultraschall-Zentrum signifikant ab. Nur bei den Frauen, die sich zu einer vorzeitigen Beendigung der Schwangerschaft entschließen, steigt die Belastung im Zeitraum bis zur Beendigung der Schwangerschaft an. Vier Wochen nach der Geburt bzw. nach der Beendigung der Schwangerschaft liegen die gemessenen psychischen Parameter in allen Teilstichproben im Normbereich.

Schlussfolgerung: Die Verdachtsdiagnose einer fetalen Entwicklungsstörung führt zwar aktuell zu einer psychischen Belastung, jedoch zu keiner anhaltenden psychischen Störung. Die am meisten belastete Gruppe sind Frauen, welche unmittelbar vor einer vorzeitigen Beendigung der Schwangerschaft stehen. Die psychischen Belastungen, die mit der Diagnose einer fetalen Entwicklungsstörung auftreten, sollten bei der psychosozialen Beratung und Behandlung der betroffenen Frauen und ihrer Partner berücksichtigt werden.

Abstract

Objective: Today's ultrasound technology permits the detection of foetal malformations during pregnancy. This study examined pregnant women's psychological responses to a suspected fetal anomaly and the subsequent course of psychological well-being. Method: 86 pregnant women with a suspected fetal malformation were assessed by means of questionnaires three times: before an ultrasound examination at a specialized centre, one to two weeks after the examination, and four weeks after giving birth or after premature termination of the pregnancy. Anxiety (STAI), depression (HADS-D) and feelings towards the child were assessed. Results: A suspected fetal malformation results in psychological stress with anxiety and depression levels significantly higher than in normal samples. Regardless of either confirmation or rejection of the diagnosis of a malformation, stress decreases significantly after the ultrasound examination at the specialized centre. Only women who decide to terminate the pregnancy prematurely show increasing levels of stress in this period. Four weeks after giving birth or termination of pregnancy the assessed psychological parameters of all participants fall within the normal range. Conclusions: A suspected fetal malformation results in immediate psychological stress but not in an enduring psychological disorder. Women facing immediate premature termination of pregnancy exhibited the highest stress levels. The psychosocial distress caused by the diagnosis of a fetal malformation should be taken into consideration in the psychosocial consultation and treatment of concerned women and their partners.

Literatur

1 Bezüglich der Abkürzungen bedeutet SIG „Severity Index Group”, PIG „Postnatal Index Group”, KE „keine Entwicklungsstörung”, LE „leichte Entwicklungsstörung”, SE „schwere Entwicklungsstörung”, E „leichte oder schwere Entwicklungsstörung”, V „verstorben”, FF „Fortführung der Schwangerschaft” und BE „vorzeitige Beendigung der Schwangerschaft”.

Dr. med. L. Götzmann

Abteilung für Psychosoziale Medizin · Universitäts-Spital Zürich ·

Culmannstraße 8 · 8091 Zürich · Schweiz

Phone: + 41-1-255 52 52

Fax: + 41-1-255 43 84

Email: lutz.goetzmann@psy.usz.ch